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Wohnen und Leben wie in einem Park

Wohnen und Leben wie in einem Park

Bezahlbarer Wohnraum in einem weitgehend autofreien Stadtquartier

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RHEINE. Rheines Baudezernentin Milena Schauer erläutert im Interview mit MV-Redakteur Matthias Schrief die Konzepte für die Smart City „Europa-Viertel“.

Milena Schauer: Wir hoffen, dass die ersten Gebäude Ende 2025 so fertiggestellt sind, dass die ersten Bewohnerinnen und Bewohner einziehen können. Das wird allerdings wohl erst ein kleiner Bauabschnitt sein. Richtig Leben kommt erst im Laufe 2026 hinein.

 

Schauer: Zunächst ist es ein verdichtetes Gebiet, nicht ein Quartier mit dem klassischen Einfamilienhaus. Die Mobilität im Viertel wird anders gestaltet sein, als man es bisher kennt. Das heißt, es wird keinen Stellplatz, keine Tiefgarage und keinen Carport am eigenen Grundstück geben. Stattdessen gibt es drei zentrale Mobilitätshubs, in denen man sein Fahrzeug abstellen kann. Wir haben es so geplant, dass die Fußwege zwischen Hub und Wohnung relativ kurz sind. Im ungünstigsten Fall sind es einmal unter 200 Meter. Aber in der Regel sind die Wege kürzer, so zwischen 50 und 100 Meter. Das soll natürlich dazu führen, dass die Quartiersbewohner auf kurzen Strecken aufs Auto verzichten. Zum anderen geht es darum, bezahlbares Wohnen zu ermöglichen. Die Verdichtung mit Verzicht auf Stellplätze ermöglicht mehr Wohnraum. Eine Tiefgarage wäre teuer. Bei dem vorhandenen Baugrund müsste man für eine Tiefgarage Kosten von bis zu 45000 Euro kalkulieren. Zudem sind Tiefgaragen teuer im Unterhalt. Demgegenüber sind die Mobilitätshubs eine günstigere Variante. Das heißt, im Europa-Viertel steht das Auto nicht unmittelbar vor der Haustür, sondern in fußläufiger Nähe in einem Mobilitätshub. Würden wir Stellplätze einrichten, würden wir in dem Gebiet mit 600 bis 650 Wohneinheiten einiges an Verkehr ins Quartier hereinziehen. Und das soll nicht passieren.

 

Schauer: Die heißen so, weil sich die Mobilität dort bündeln soll. Wir wollen dort auch Stationen fürs Car-Sharing einrichten. So kann zum Beispiel eine Familie dort komplett auf ein eigenes Auto verzichten, hat aber die Chance, bei Bedarf auf ein Fahrzeug zuzugreifen. Gleichzeitig werden wir dort Lastenräder bereitstellen, mit denen man dann auch die Einkäufe erledigen kann. Ergänzen werden wir das mit sogenannten White Label Paketboxen, um die Paketzulieferer wie DHL oder Amazon aus dem Wohngebiet herauszuhalten. An den Paketboxen stehen Sackkarren oder Bollerwagen bereit, mit denen größere Pakete zur Wohnung transportiert werden können. Nicht zuletzt gibt es in den Mobilitätshubs auch Ladestationen für E-Fahrzeuge.

 

Schauer: Jein. Wir haben das diskutiert. Wir planen es so, dass es nicht eine Unmenge von Möglichkeiten geben wird, wo Fahrzeuge abgestellt werden können. Aber es wird die Möglichkeit für einen Halt geben, insbesondere wenn jemand umzieht oder ähnliches. Aber auch, wenn jemand einen großen Einkauf getätigt hat. Das werden wir aber reglementieren. Es wird versenkbare Poller geben, die über Kennzeichenerfassung funktionieren. Die Bewohner werden ein bestimmtes Freikontingent pro Woche für Fahrten bis zur Wohnung haben. Das Fahrzeug muss aber nach dem Entladen wieder weggestellt werden. Es gibt schlicht nicht den Platz, es dauerhaft abzustellen. Barrierefreie Stellplätze wird es indes geben.

 

Schauer: Ja. Im kommenden August steht das Thema Betrieb und Finanzierung auf der Tagesordnung.

 

Schauer: Ja, wir gehen weg vom klassischen freistehenden Einfamilienwohnhaus, das viel Fläche braucht und viel Infrastruktur verbraucht. Wir lassen aber in etwa einem Drittel der Fläche Reihenhäuser zu. Da kann man dann bezahlbar auf der eigenen Scholle leben. Unter 450000 Euro kann man in Rheine kaum ein freistehendes Einfamilienhaus bauen. Insofern ist es eine Chance auf kleinerer Fläche, seinen Traum von den eigenen vier Wänden zu verwirklichen.

 

Schauer: Wir haben bereits einige Anfragen. Wir waren tatsächlich überrascht, wie positiv dieses Konzept aufgenommen wird, insbesondere bei den Investoren. Das hat damit zu tun, dass die den ganzen Krampf mit den Tiefgaragen kennen und wissen, wie viel Geld dort versenkt wird und mit wie vielen Schwierigkeiten das verbunden sein kann. Aus Investorensicht ist dieses Konzept super. Wir haben aber auch Rückmeldungen bekommen, in denen Bedenken geäußert werden. Insbesondere örtliche Wohnungsbauunternehmen sind gespannt, wie das Konzept angenommen wird. Tenor: Will der Rheinenser dort wohnen, wo das Auto nicht unmittelbar vor der Tür steht? Wir sind da optimistischer. Wir stellen fest, dass sich das Verhältnis zum Auto wandelt und dass es immer mehr gerade jungen Menschen gibt, die auch bereit sind, auf das Auto zu verzichten oder verstärkt auf andere Mobilitätsformen setzen. Im Gegenzug erhalten sie damit eine Chance für preiswerteres Wohnen und bekommen dadurch auch eine hohe Wohnqualität im Quartier. Wir wollen, dass das letztlich alles so funktioniert, dass es für die Bewohnerinnen und Bewohner ganz einfach zu handeln ist. Deswegen ist das Thema Smart City hier im Europa-Viertel ganz wichtig. Dafür haben wir jemanden eingestellt, der sich in den kommenden drei Jahren nur um das Thema Smart City im Europa-Viertel kümmern wird. Also alles rund um den Bereich Kennzeichenerfassung und Einfahrtfreigabe ins Quartier. Das soll alles so einfach sein, dass es quasi für jeden und jede zu handeln ist.

Schauer: Das wird so sein. Dieser Park ist 18000 Quadratmeter groß. Das ist ein Pfund, mit dem man wuchern kann, wunderbar verbunden mit dem Waldhügel und dem benachbarten Kleingartengebiet. Gleichzeitig bin ich ratzfatz im Zentrum Dorenkamp und habe alle Infrastruktur, die man sich vorstellen kann, auch die Schulen sind fußläufig erreichbar. Deswegen kann man gut aufs Auto verzichten, man muss es aber nicht. Es wird ein durchgrüntes Quartier sein, bei dem wir auch Dachbegrünung vorgeben.

 

Schauer: Genau. Wir werden mit einem Unterflursystem arbeiten. Das war eine Anregung der Technischen Betriebe Rheine. Es wird etwa ein Dutzend Unterflursysteme im öffentlichen Raum geben. Das hat den Vorteil, dass wir im öffentlichen Verkehrsraum keinen Platz für herkömmliche Mülltonnen gebrauchen.

 

Schauer: Ja, in dem Sinne, dass es so auf den Weg gegeben werden soll. Aber erst wenn man weiß, ob die noch zu stellenden Förderanträge durch sind, kann man die weiteren Schritte machen. Es ist ja geplant, das mit Anschluss- und Nutzungszwang zu machen. Die dafür nötige Satzung auf den Weg zu bringen, macht erst Sinn, wenn man weiß, ob die Förderung kommt.

 

Schauer: Ja, auch darüber haben wir diskutiert. Wenn ich einen Anschluss- und Benutzungszwang habe, gebe ich genau vor, so muss es sein. Wenn sich dann in den kommenden fünf Jahren noch die nächste Supertechnologie entwickelt, dann wäre diese für das Quartier ausgeschlossen. Das wäre dann ein Nachteil. Vorteile der zentralen Versorgung sind die absolute Klarheit für jeden. Und wir haben ein sehr energieeffizientes Heizungssystem mit hoher CO-Einsparung.

Quelle: Münsterländische Volkszeitung, 01.07.2023, © Altmeppen Verlag GmbH & Co. KG ,
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