„Aufsuchende Arbeit“ statt festes Büro
Jörg Homering
RHEINE. Rheine soll ein „Sozialraumbüro“ bekommen. Wobei das mit dem „Büro“ nicht wörtlich zu verstehen ist. Das „Büro“ soll vorwiegend mobil werden, dezentral. Also nicht unbedingt eines mit Schreibtischen und Stühlen. Sondern eines mit mobilen Beraterinnen und Beratern, die sich in den Quartieren Rheines auf den Weg von Tür zu Tür machen. Der Sozialausschuss nahm am Dienstag ein erstes Konzept zur Kenntnis und beauftragte die Verwaltung, mit der Umsetzung zu beginnen.
Gut, es wird auch ein Büro in einem Gebäude geben. „Wir nutzen Räume, die es schon gibt“, sagte Sozialdezernent Raimund Gausmann. Eine Art „Sozialraumbüro“ gibt es auch schon: auf dem Dorenkamp mit dem Begegnungszentrum „Mitte 51“ und all seinen Beratungsangeboten (siehe Info-Box). Und auch im Stadtzentrum rund um das Rathaus seien viele Beratungsmöglichkeiten vorhanden. Statt einer einzigen festen Anlaufstelle solle die neue, vom Land geförderte Sozialberatung in den Stadtteilen daher „aufsuchend“ geschehen. „Wir nutzen die Räume, die dort vorhanden sind, und organisieren unsere Arbeit anders. Eben mehr aufsuchend“, sagte Gausmann im Sozialausschuss. Dafür werde zunächst nicht einmal mehr Personal gebraucht.
Das „Sozialbüro“ soll von der Grundidee her eine zielgerichtete und leicht zugängliche Beratung für unterschiedliche Zielgruppen in ihrem alltäglichen Lebensumfeld bieten. Es ist als Anlaufstelle für die Menschen im Quartier zu verstehen, die zugleich als Kontakt- und Aufenthaltsort dient und damit ein multifunktionaler Raum ist. Hier können Bedürfnisse geklärt und Informationen eingeholt werden. Gleichzeitig steht vor Ort ein breiter Fächer an Angeboten, insbesondere im Beratungsbereich, zur Verfügung. Ein Ort mit Lotsenfunktion, ein Ort der Begegnung.
Die Verwaltung wird damit beauftragt, unter Einbeziehung eines Gutachtens und der Sozialberichterstattung der Stadt sowie in Zusammenarbeit mit den Trägern der Jugendhilfe, der Sozialhilfe und weiteren Akteuren ein Konzept zu entwickeln. Dieses Konzept soll auf die Bedarfe der Zielgruppen ausgerichtet sein, die bislang durch zentrale Angebote nicht ausreichend erreicht werden konnten. Bereits bestehende dezentrale Angebote seien dabei in die Konzeptentwicklung einzubeziehen.
Schon 2024 hatte die Stadt Rheine im Rahmen des Landesförderprogramms NRW „Zusammen im Quartier – Sozialplanung initiieren, weiterentwickeln und stärken“ Fördermittel beantragt. Ziel war es, diese Mittel für die Entwicklung eines Konzepts für ein niedrigschwelliges Sozialraumbüro in Rheine zu verwenden. Mit der Erstellung des Konzepts wurde das Institut InWIS beauftragt. Auftrag und Zielsetzung bestanden darin, ein tragfähiges und praxisorientiertes Konzept für ein niedrigschwelliges Sozialraumbüro zu entwickeln. Das Konzept sollte dabei einige Punkte besonders berücksichtigen:
eine barrierefreie und gut erreichbare Anlaufstelle für alle Bürger schaffen
in Quartieren mit erhöhtem sozialen Unterstützungsbedarf wirksam sein
die soziale Teilhabe durch armutssensible und quartiersnahe Beratungsangebote fördern
den Zugang zu bestehenden Unterstützungs- und Förderstrukturen erleichtern
verschiedene Lösungsmodelle (zentrale, dezentrale, mobile und digitale Varianten) vergleichen und deren Vor- und Nachteile darstellen
konkrete Handlungsempfehlungen und Umsetzungsschritte für die Stadt Rheine ableiten.
Das InWIS Institut hat unter Einbeziehung von Experteninterviews sowie der Ergebnisse der städtischen Sozialraumkonferenz vom vergangenen November einen Abschlussbericht vorgelegt. Die Verwaltung will nun die vorgelegten Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen auswerten und dem Ausschuss einen kostenneutralen Vorschlag vorlegen.
Dezernent Gausmann untermauerte seinen Vorschlag, dezentral und aufsuchend zu arbeiten, mit den guten Erfahrungen der Stadt vor allem bei der Arbeit mit ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Aufsuchend heißt dabei, dass die Mitarbeitenden der Stadt von Tür zu Tür ihrer „Klienten“ gehen, um ihre Beratung anzubieten. „Es kann sein, dass wir später merken, dass wir mehr Personal dafür benötigen. Aber wir sollten es erst einmal mit einer Umorganisation versuchen“, sagte Gausmann. Tatjana Lücke (SPD) unterstützte diese Einschätzung der aufsuchenden Beratungsarbeit. „Gut wäre es, wenn die Akteure in den Stadtteilen benannt würden, um sie bekannter zu machen“, schlug sie vor.
Eine Gruppe sei von der „Mitte 51“ abgelehnt worden, habe Rainer Ortel (UWG) gehört. Wer das denn wohl gewesen sei – und warum, wollte er im Sozialausschuss wissen. Fachbereichsleiterin Wiebke Gehrke wusste es: „Das war ein Canabis-Verein. Der passte nicht zum Konzept des Hauses.“
Mit Humor nahm der Sozialausschuss diese Anekdote auf – und mit viel Freude hörten die Ratsmitglieder den Jahresbericht der „Mitte 51“, den Gehrke am vergangenen Dienstag vortrug. Kurz gesagt: Die Erfolgsgeschichte des Begegnungszentrums wurde auch im vergangenen Jahr fortgeschrieben. Die Anzahl der Gruppen und der Gäste steigt stetig, die Digitalisierung greift immer mehr um sich, der neue Beirat arbeitet erfolgreich. 1100 Gäste kamen 2024, rund 500 mehr als das Jahr zuvor. Die Säle sind fast jeden Abend der Woche gebucht, die Finanzen stimmen.
„Ein lebendiger Organismus, der durch seine Vielfalt glänzt“, fasste Rainer Ortel den Bericht von Wiebke Gehrke zusammen.-jho-
Quelle: Münsterländische Volkszeitung, 04.10.2025, © Altmeppen Verlag GmbH & Co. KG ,
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